Macht und Gewalt im Führungsalltag

„Macht bedarf keiner Rechtfertigung, da sie allen menschlichen Gemeinschaften immer schon inhärent ist. Hingegen bedarf sie der Legitimität, die in der Regel aus dem Ursprung der Gruppe stammt.“ so Hannah Arendt in ihrem Buch „Macht und Gewalt“. Sie führt weiter aus: „Macht beschreibt die Fähigkeit mit anderen etwas zu erreichen. Machtträger ist somit die Gruppe, zerfällt die Gruppe, zerfällt die Macht.“

Diese Aussage kann man auch auf den Kontext von Unternehmen beziehen. Eine Dienstleistung oder eine Warenproduktion kann nur durch die Gesamtheit des Unternehmens, aus der arbeitsteiligen Organisation heraus entstehen. Der Einzelne ist im Rahmen dieses Prozesses lediglich ein Teil der Gruppe – ein Teil der Macht.

Die Vertriebsmacht des Mitarbeiters …

Auf den Vertrieb bezogen, bleibt diese Tatsache ebenfalls gültig, konzentriert sich allerdings auf den Vor Ort Handelnden. Ob ein Produkt oder eine Dienstleistung beim Kunden ankommt, entscheidet letztendlich der Mitarbeiter, der mit dem Kunden spricht. Er ist der Handelnde und bildet in diesem Prozess den Kulminationspunkt der Macht.

Eine Führungskraft hat in Bezug auf den Kulminationspunkt des Prozesses nur die Gewalt, aber nicht die Macht. Führungskräfte im Rahmen dieses Prozesses können Sanktionen „verhängen“ und sogar Entlassungen aussprechen, d.h. Gewalt gegenüber diesem Mitarbeiter ausüben, aber die Macht des Tuns behält immer die Gruppe der Mitarbeiter, die in direktem Kundenkontakt stehen.

Wenn dieser Mitarbeiter als Teil der Gruppe die Macht verliehen bekommt, die Dienstleistung oder das Produkt des Unternehmens anzubieten, trifft er letztendlich die letzte Entscheidung, weil er die Macht besitzt.

… und die Autorität der Führungskraft …

Das, was die Führungskraft in diesem Bild benötigt, ist Autorität und Respekt seitens der Mitarbeiter, d.h. die Anerkennung und die Loyalität gegenüber der Funktion und den Kompetenzen der Führungskraft innerhalb der Gruppe.

In diesem Zusammenhang kann die Stärke der Persönlichkeit hilfreich sein. Als starke Persönlichkeit gelten die Menschen, die durch ihre Ausstrahlung andere überzeugen. Gegenüber der Gruppe sind aber selbst diese Führungskräfte machtlos, wenn sie den Respekt der Mitarbeiter und damit ihre Autorität verlieren.

Der Respekt geht dann verloren, wenn Mitarbeiter ihre Führungskraft verachten – im allgemeinen als Folge von Lügen, Ungerechtigkeiten, Egomanie und Narzissmus der Führungskraft. Noch dramatischer ist das Verlachen, weil es selten registriert wird – was durch Not-Lügen, nicht vollständiges Informieren oder inkonsequentes Verhalten leicht ausgelöst wird. Entscheidend ist dabei immer die Sicht der Mitarbeiter – ist die nicht bekannt, wird Glück zum entscheidenden Führungsfaktor.

… sind die nachhaltigen Erfolgsfaktoren im Vertrieb.

Der Respekt, den Mitarbeiter ihrer Führungskraft entgegen bringen, ist die Basis eines guten Führungskräfte-Mitarbeiter-Verhältnises. Vergleicht man dieses Verhältnis mit dem Bild eines Schiffes, so stellt der Respekt den Rumpf dar. Hat dieser ein Leck, so ist der Zweck, die Aufgabe und die Beziehung zwischen den Führungskräften und Mitarbeitern im Unternehmen nicht mehr gewährleistet, das Schiff geht unter.

Führungskräften muss klar sein, dass sie zwar Gewalt gegenüber jedem Mitarbeiter ausüben können, dass aber die Entscheidung, ob eine Dienstleistung oder ein Produkt beim Kunden platziert wird, immer bei den Mitarbeitern liegt. Die Führungskräfte sind genau an dieser entscheidenden Stelle machtlos. Damit sie als Autorität führen können, brauchen sie den Respekt der Mitarbeiter. Machtlosigkeit kann kurzfristig durch Anwendung von Gewalt ersetzt werden, die resultierende Angst wirkt aber nicht nachhaltig. Nachhaltig verliert nur die Führungskraft – entweder den fähigen Mitarbeiter oder ihre eigene Position in der Gruppe.

Nachhaltigkeit einer erfolgreichen Führung bedeutet letztendlich immer

· Bewahrung des Respekts der Menschen im Unternehmen untereinander,

· Sicherung des Wohlfühlens am Arbeitsplatz im Unternehmen

· Aufrechterhaltung der Loyalität gegenüber dem Unternehmen.

Der Weg zum gemeinsamen Denken

„Der Dialog ermöglicht“, wie es treffend bei Friedrich Schlegel heißt, „die Darstellungen des gemeinschaftlichen Selbstdenkens“. Besser kann man die gewünschte Gesprächsstrategie von Führungskräften nicht beschreiben. Der erlebte Alltag in deutschen Unternehmen sieht aber häufig anders aus.

Führungskräfte, die bei ihren Mitarbeitern eine Veränderung erreichen wollen, verfallen immer wieder in die Vortragsrede. Den Mitarbeitern wird erklärt, dass ihre Zielerreichung nicht ausreiche, wie viele Prozente bis zum gewünschten Umsatzziel noch fehlten und dass es so nicht weitergehen könne! Die Stimmung in und nach solchen Gesprächen ist in der Regel schlecht. Spaß ist der genaue Gegenpol dazu – und kommt interessanterweise auch bei der agierenden Führungskraft nicht auf.

Stimmungsabstieg, …

Einen grundsätzlichen Fehler stellt der Vortragsstil dar. Das führt zu mehreren negativen Konsequenzen. Zunächst ist das Ergebnis eine schlechte Stimmung. Handelt es sich um eine Vertriebsführungskraft, ist damit schon die Basis für schlechte Ergebnisse des Vertriebsteams gelegt, denn erfolgreicher Vertrieb hat bekannterweise als Basis den Spaß am Tun.

… Zeitverschwendung und …

Dann stellt sich auch die inhaltliche Frage: Warum muss dem Mitarbeiter der aktuelle Sachstand erklärt werden? Weiß er tatsächlich nicht wie sein Ist-Zustand im Rahmen der Zielerreichung aussieht? Weiß ein Mitarbeiter nicht genau, in welchen Bereichen in der augenblicklichen Situation Rückstände zu verzeichnen sind? Mir ist kein Unternehmen bekannt, in dem Mitarbeiter im Vertrieb nicht ihre Zahlen kennen. Das Ergebnis dieses häufig umfassenden Gesprächsteils ist somit eine reine Zeitverschwendung. Der Mitarbeiter sollte stattdessen lieber mit Kunden sprechen.

… und Denkvermeidung …

Der Vortragsstil hat aber eine noch viel negativere Konsequenz. Selbst wenn die Führungskraft auch über eine Veränderung im Verhalten spricht – die ja zu einer Veränderung der Zahlen in der Regel nötig ist – verhindert der Vortragsstil das Selbstdenken des Mitarbeiters.

Die Führungskraft macht sich Gedanken und versucht den Mitarbeiter zu überreden. Eine eigene Erkenntnis des Mitarbeiters wird nicht verlangt, wird nicht gefordert und erst recht nicht gefördert. Der Mitarbeiter kann in seiner Komfortzone verweilen.

… verhindert der Dialog …

Die Lösung liegt letztendlich im Dialog. Der Dialog nutzt nicht nur das gesamte Wissen, dass der Mitarbeiter bezüglich seines Arbeitsalltags und insbesondere seiner Kunden hat, sondern bezieht ihn aktiv in die Denkprozesse mit ein. Ein einfaches Mittel hierzu ist die offene Frage.

Stellt die Führungskraft Fragen an den Mitarbeiter, führt dieses dazu, dass der Mitarbeiter eine Antwort formuliert und dieses kann er nur, wenn er sein Gehirn auch zum Denken nutzt.

Inhaltlich stellen sich Fragen nach dem Ziel der Führungskraft. Ist eine Verbesserung des Zielstandes des Mitarbeiters das Ziel, sollten die Fragen in Richtung auf eine zukünftige Veränderung des Verhaltens des Mitarbeiters gehen. Hervorzuheben ist der zeitliche Bezug: zukünftig! Damit fällt ein offenes Fragewort im Dialog weg: Warum! Das ‚Warum‘, hat ausschließlich einen Vergangenheitsbezug und führt zu einer Rechtfertigung des Mitarbeiters. Und dieses sollte nicht das Ziel des Gesprächs sein und ist damit überflüssig.

… als Gehirnaktivierer

Der Dialog ist somit die einzig geeignete Gesprächsform für ein Führungskräfte-Mitarbeiter-Gespräch. Das gemeinsame Denken mit dem Mitarbeiter erlaubt es der Führungskraft, den Mitarbeiter bei der Lösung seiner Aufgaben zu unterstützen und nicht sie ihm einäugig abzunehmen, denn die Kunden des Mitarbeiters kennt er tatsächlich nicht so gut wie sein Mitarbeiter.

Die Nutzung von Fragen führt weiterhin zwingend dazu, dass der Gesprächsanteil der Führungskraft geringer wird und dass der Mitarbeiter seine eigenen Ideen zur Lösung der Schwierigkeiten ausspricht und damit selbst denkt.

Der Dialog als Instrument zum gemeinsamen Denken ist ein effektiver Weg zu den Ideen der Mitarbeiter. Die Impulse der Mitarbeiter entlasten die Führungskraft im Problemlösungsprozess und Veränderungsmanagement. Soll ein Mitarbeiter dann ein verändertes Verhalten umsetzen, wird dieser Prozess mit Freude angetreten, denn es gründet sich das Veränderungsmanagement auf der Basis der Einbeziehung seiner eigenen Ideen. Der Mitarbeiter vermutet Erfolgsaussichten und damit steigt seine Selbstmotivation, welche viel wirksamer ist als eine Fremdmotivation durch die Führungskraft.

Das Einzige was ein Dialog braucht ist Zeit, aber davon wird durch die üblichen Vortragsgesprächen genug verschwendet. Per Saldo auch hier ein Gewinn durch sinnvollere Gesprächsinhalte.

Der Wald als strategisches Führungsinstrument

„Die Positivität des Könnens ist viel effizienter als die Negativität des Sollens.“ formuliert Byung-Chul. Und weiter: „Die Gesellschaft des 21. Jahrhundert ist nicht mehr die Disziplinargesellschaft, sondern eine Leistungsgesellschaft.“

Wie sieht die Situation in unseren Unternehmen aus? An welchen Stellen sind diese Formulierungen in deutschen Firmen überhaupt sichtbar und welche Konsequenz hat dies für den Unternehmensalltag? Es klingt so positiv – aber ist es auch wirklich positiv?

Der Alltag zeigt, …

In vielen erfolgreichen Unternehmen werden die Dauerschlaglöcher im Führungsbereich nicht durch mangelnden Leistungswillen der Führungskräfte oder fehlende Fachkompetenz verursacht. Die Quellen der Störungen finden sich einerseits in einer massiven Selbstausbeutung der Führungskräfte und andererseits in einer starken Führungs- und Arbeitsbelastung.

Wenn erfolgreiche Führungskräfte es gut gelaunt als positive Entwicklung formulieren: „Ich habe es diese Woche geschafft, zweimal mit meinen Kindern zu Abend zu essen“ – wobei in diesem Unternehmen die ersten Meetings bereits um 8:00 Uhr angesetzt sind – kann dieses als ein Beleg dafür angesehen werden.

… Motivation und …

Aber genau diese geschilderte Situation zeigt die Gefahren. Byung-Chul beschreibt dies wie folgt: „Der Exzess der Arbeit und Leistung verschärft sich zu einer Selbstausbeutung. Diese ist effizienter als die Fremdausbeutung, denn sie geht mit dem Gefühl der Freiheit einher.“

Führungskräfte gehen mit diesem selbstbestimmten Gefühl der Gestaltungsmöglichkeit ihres Arbeitsalltags im Arbeitsalltag ständig bis an den Rand und teilweise aus lauter Freude auch über ihre Leistungsfähigkeit hinaus. Sie tun dieses zu Lasten ihrer zukünftigen Leistungsfähigkeit und häufig auch zu Lasten der Qualität ihrer aktuellen Arbeit.

Der Weg dorthin führt über die von Mihaly Csikszentmihalyi beschriebene Motivationslage „Flow“. Das Flow-Modell beschreibt den Zusammenhang zwischen der zu lösenden Aufgabe und der eigenen Kompetenz eines Menschen. Bewegt sich ein Mensch in einem Kanal, in dem sich Kompetenz und zu lösende Aufgabe in etwa entsprechen, vergisst er die Zeit und empfindet Freude bei der Arbeit, er befindet sich im Flow. Sowohl eine Kompetenzüberforderung als auch eine -unterforderung führen zu Stress durch entweder mangelhafte Kompetenz oder Langeweile. Bei einer dauerhaften Arbeitsüberlastung im Flow besteht die Gefahr eines Leistungskollaps, den die Führungskräfte aufgrund des hohen Spaßfaktors selbst nicht bemerken.

… erfolgreiche Leistung …

Die dauerhafte Arbeitsbelastung wird oft durch den zweiten Aspekt, die organisatorischen Umbauten, verursacht. An dieser Stelle ist besonders die Geschäftsführung gefordert. Eine Kostenorientierung des Management mündet durch den Wegfall einzelner Führungsebenen in teilweise zweistelligen Führungsspannen. Um den Erfolg auch strategisch langfristig zu sichern, ist die Geschäftsführung gefordert, die Führungsspannen wieder effizient und effektiv zu gestalten.

Große Führungsspannen verursachen beispielsweise einen erheblichen Kommunikationsaufwand. Jeder zusätzliche Mitarbeiter wirkt nicht nur additiv, sondern vervielfacht das Informationsaufkommen eines Teams und verlangsamt so die Fahrt des Unternehmens. Die Steuerung und die Fehlerkorrekturen können nur noch verzögert stattfinden. Freiräume für Kreativität gibt es nicht mehr.

… sind eine Konservierungsaufgabe

Diese Fehlentwicklungen im Organigramm müssen korrigiert werden! Gerade vor dem Hintergrund abnehmender Geburtenraten und großem Führungskräftemangel sollte die hohe Qualität konserviert und die Führungskräfte nicht ausgebeutet werden.

Zurück zum ersten Gedanken, der Selbstausbeutung: Ein interessantes Führungsinstrument bleibt bei der beschriebenen Situation im Bereich oberer Führungsebenen auf der Strecke: Der Waldspaziergang! Die Führungsebenen, welchen strategische und operative Entscheidungen obliegen, benötigen einen Freiraum für reflexive und konstruktive Denkphasen.

Ein Waldspaziergang erlaubt das Verlassen eingefahrener Wege. Erst durch den Einsatz des freien Denkens werden strategische Gedankenspiele, das Durchdenken innovativer Ideen und die Prüfung laufender Prozesse möglich. Der Einsatz des Waldspaziergangs eröffnet Sichtweisen ein Unternehmen dadurch schneller zu machen, dass beispielsweise neue Kommunikationswege strukturiert werden und dadurch auch der Bereich der Fehleranalyse optimiert wird.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten:

Die Schaffung überschaubarer Führungsspannen führt zu einer einfacheren und schnelleren Steuerung der Abteilungen. Die Führungsarbeit wird schlicht einfacher und erfordert weniger Selbstausbeutung.

Der Wald eröffnet Raum und Zeit um einerseits die hohe Leistungsfähigkeit und –bereitschaft der Führungskräfte nachhaltig zu erhalten.

Führungskräfte können im Flow dauerhaft hohe Leistungsgrade erreichen, da sie Zeit zu freiem Denken haben. Andererseits begrenzt der Waldspaziergang die Freiheit der Leistungsgesellschaft im Sinne des Unternehmens sinnvoll. Diese kreativen Erholungsphasen erhalten das hohe Leistungspotenzial im Unternehmen.

Was soll ich tun?

Mitarbeiter überraschen ihre Führungskraft häufig durch nicht nachvollziehbare Äußerungen, die sie sich aus dem Unternehmensalltag heraus nicht erklären können. Die Antworten passen nicht in das gelebte Wertesystem der Führungskräfte und zerstören oft genug das Vertrauen in die Arbeitswilligkeit des Mitarbeiters.

In einer Bankfiliale sitzen in einem Sitzungsraum die Filialleiterin, die Marktbereichsleiterin und deren Trainer am Arbeitsplatz und führen ein intensives Gespräch. Plötzlich klopft es, eine Mitarbeiterin aus der Filiale öffnet die Tür und streckt nur ihren Kopf durch den Spalt.

Sie sagt: „Ein Kunde hat sich beschwert, vor dem Briefkasten stehen zwei Mülltonnen.

Was soll ich tun?!“

Nach einer kurzen Pause der Verblüffung antwortet ihr die Filialleiterin: „Ja, gehen Sie raus und stellen Sie sie weg!?“ Der Kopf verschwindet, die Tür wird geschlossen. Die Stimmung im Raum verändert sich. Alle drei sind betroffen von dieser Frage. „Es sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand, was man da tun kann!“ „Ich verstehe das gar nicht, die Kollegin ist sonst eigentlich ganz intelligent!“ „Könnte das was mit Ihrem Führungsverhalten zu tun haben?“

Die Konsequenz unterschiedlicher Erfahrungswelten

Die Leistungen in dieser Filiale sind unterdurchschnittlich, obwohl das Kundenpotential eher interessant scheint. Die Filialleiterin hat vor drei Monaten diese Filiale übernommen, nachdem sie vorher erfolgreich eine etwas kleinere Filiale derselben Bank geführt hat. Sie ist engagiert und mit hoher Motivation eingestiegen. Die Zahlen haben sich in dieser Zeit aber eher verschlechtert. Ihr altes Team führte sie mit einer offenen Kommunikation, die Mitarbeiter arbeiteten kooperativ im Entscheidungsprozess mit. Die Stimmung im Team war gut und die Leistungen deutlich überdurchschnittlich, man machte sogar privat einiges zusammen. Diesen erfolgreichen Stil importierte sie in ihr neues Filialteam.

Nach drei Monaten hatte sie einen emotionalen Punkt erreicht, der sie dazu trieb, autoritäre Entscheidungen zu treffen, jedem Mitarbeiter zu sagen, was er zu tun hat, „denn sonst passiert hier eh nix!“ Die Stimmung im Team ist nun schlecht, nach „Dienstschluss“ streben alle pünktlich auseinander.

Was ist geschehen?

Die Bankfiliale wurde die letzten 25 Jahre von einer Mitarbeiterin geleitet, die die Marktbereichsleiterin wie folgt charakterisierte: „Die Frau hatte den Ruf wie ein Feldwebel zu agieren! Alles über meinen Tisch! Hier passiert nichts, was i c h nicht genehmigt habe!“

Wer 25 Jahre durch eine solche Führungskraft „controlled“ wurde, hat es gelernt sein Gehirn beim Betreten des Arbeitsplatzes abzugeben, das Selbstwertgefühl morgens an der Garderobe wegzuschließen. Das ist für viele die einzige Strategie, um in solch einem Umfeld, in dem Fehler nicht verziehen werden, in dem Eigeninitiative bei Höchststrafe verboten ist, zu überleben.

Folgt nun eine Führungskraft, die kooperativ und offen, auf die Eigeninitiative und die Selbstmotivation der Mitarbeiter bauend, die Filiale leitet, nimmt die oben beschriebene Entwicklung ihren Lauf: Die Mitarbeiter haben ihr Gehirn und ihre Eigeninitiative immer noch deaktiviert. Die offene und den Menschen zugewandte neue Führungskraft beginnt zu verzweifeln.

Sie entscheidet: „Nur wenn ich klare Anweisungen gebe, passiert was, sonst nicht. Also gut, wenn ihr es so haben wollt, das kann ich auch.“

Die Lust am Elend …

Das Problem ist, dass die Mitarbeiter erst wieder lernen müssen, ihr Gehirn einzusetzen. Es ist nicht so, dass sie nicht denken können und keine Selbstmotivation mehr haben, sie haben nur gelernt, dass es an ihrem Arbeitsplatz nicht erwünscht ist. Die plötzliche Freiheit führt nicht zu Begeisterungsstürmen der Erleichterung – endlich haben wir wieder die Freiheit zu handeln – sondern zum Erleben einer starken Verunsicherung.

Für die Mitarbeiter beginnt ein Veränderungsprozess, der aus einem ausführenden Befehlsempfänger genau definierter Handlungen, einen mit Kompetenzen und Freiräumen ausgestatteten Entscheider machen will. Sie fühlen sich nicht befreit, sondern bedroht! Denn nun müssen sie selbst die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen – auch wenn ihre Entscheidungen negative Auswirkungen haben.

Die Folge ist eine kategorische Verneinung der Mitarbeiter, nicht aus Bequemlichkeit oder Trotzigkeit, sondern aus Angst. Reagiert nun die Führungskraft mit den alten Instrumenten, den autoritären Anweisungen, ist überraschenderweise die Stimmung eher entspannter. Die heile alte Welt funktioniert wieder.

… besiegt durch Geduld und Nähe

In einer solchen Situation gibt es keinen Königsweg, denn je nach Grad der Domestizierung kann bei den Mitarbeitern dem eigenverantwortlichen Handeln unterschiedlich wieder Raum gegeben werden. Als eine Möglichkeit, dem selbstständigen Denken und Entscheiden im Arbeitsalltag eines Teams Raum und Zeit zu eröffnen, hat sich der folgende Weg erwiesen:

Am Anfang der Entwicklung steht die Entscheidung der Filialleitung, die Mitarbeiter „eng“ zu führen, um sie so über die „Angstschwelle der Verunsicherung“ zu begleiten. Dementsprechend werden die Veränderungen der Arbeitsstrukturen „von oben“ bedacht und festgelegt. Im Weiteren strukturiert die Filialleitung den Arbeitsalltag so, dass sich Projekte ergeben, die jeweils von einem Mitarbeiter verantwortlich geleitet werden können.

Bei der Begleitung der Projektarbeit achtet die Filialleitung darauf, dass stets deutlich wird:

· Fehler dürfen gemacht werden.

· Selbstständige Entscheidungen im Rahmen der Kompetenzen sind erlaubt.

· Lösungsvorschläge, die auf den ersten Blick als ungewöhnlich erscheinen, sind erwünscht.

Es wird seitens der Filialleitung gewährleistet, dass keine Projekte „im Sande verlaufen“, sondern alle einen Schlusspunkt haben.

* Wenn das Projekt erfolgreich war, wird dieses gemeinsam gewürdigt – an dieser Stelle kann sich eine „Feierkultur“ entwickeln.

*Wenn das Projekt gescheitert ist, wird geklärt, welche positiven Lehren für die Zukunft „in den Trümmern liegen“ und ob eine Schadensbegrenzungsarbeit notwendig ist – an dieser Stelle zeigt sich, ob die Filialleitung nur redet oder auch mal „den Kopf für die Mitarbeiter hinhält“.

Grundsätzlich ist es zwingend notwendig mit dem Betreten des Veränderungsweges eine hierarchiefreie Feedbackkultur zu implementieren. So prägt nach und nach immer mehr ein „offenes Kommunikationsklima“ die arbeitsteilige Zusammenarbeit – und das über alle Hierarchiestufen der Filiale hinweg.

Eine Führungskraft, die mit einem strahlenden Lächeln, den Mitarbeitern alle Freiheiten gibt und sie in ihrem Arbeitsprozess alleine lässt – denn herausfordernde, realistische Ziele wirken ja positiv und motivierend – hat in domestizierten Teams den gleichen Effekt, wie die Aussage gegenüber einem unter Depression leidenden Menschen: „Nun seien Sie mal fröhlich.“

Die Frage

„ Was soll ich tun ? “ ist ein Hilferuf

— nicht weniger und nicht mehr!

 

Kommunikation: fair, ehrlich und konsequent

Lutz von Rosenstiel und Gerhard Cornelli schreiben in ihrem Buch Führung zwischen Stabilität und Wandel: „Der Vorgesetzte ist derjenige, der durch kompetente gelebte verbale und non-verbale Kommunikation für das Unternehmen der Transmissionsriemen ist. Er sorgt für die Bindung.“

Ein Vorstand in Sachsen-Anhalt hat dies im letzten Jahr in Deutschland gegenüber seinen Führungskräften wie folgt formuliert: „Bitte behandeln Sie Ihre Mitarbeiter ordentlich, denn spätestens ab 2014 werden wir uns um Mitarbeiter bewerben müssen!“ Der demographische Wandel ist endgültig in den erfolgreichen Unternehmen angekommen.

Die Wirkung der Führungskräfte auf die Leistungsprozesse …

Die unmittelbare Führungskraft ist nicht nur der entscheidende Faktor für den Leistungsprozess im Unternehmen, sondern eben auch für das Ansehen des Unternehmens auf dem Bewerbermarkt. Der Demographie-Effekt führt also nicht mehr nur zum Fachkräftemangel, sondern generell zum Mangel an Mitarbeitern überhaupt.

Damit entsteht ein Problem an den beiden Enden der Altersstruktur der Mitarbeiter: Es müssen genügend junge Mitarbeiter akquiriert und erfahrene Mitarbeiter gehalten werden. Welchen Wert das Erfahrungswissen der Mitarbeiter hat, die schon eine Weile im Unternehmen arbeiten, ist kaum abzuschätzen. Dienstleistungsunternehmen, die heute noch blind Mitarbeiter mit langjähriger Unternehmenszugehörigkeit aufgrund von Kennzahlen wie „Cost-Income-Ratio“ oder „Personalaufwandsquote“ entlassen, haben zwar die betriebswirtschaftliche Kennzahlen-Welt der MAK – Mitarbeiterkapazität – oder VBE – Voll-Beschäftigten-Einheit – verstanden, vom wenig mechanistischen, unternehmerischen Alltag aber wenig begriffen.

Werden geeignete Prozesse im Unternehmen genutzt und von den Führungskräften gelebt, sind darin eingebundene ältere Mitarbeiter motivierte Leistungsträger, die einen erheblichen Beitrag zur Wertschöpfung eines Unternehmens beitragen.

… und die Loyalität zum Unternehmen …

Ein zusätzlicher Vorteil ist die viel effizientere Lernkurve der jungen Mitarbeiter, wenn sie über geeignete Methoden mit den älteren Mitarbeitern zusammengeführt werden und eine entsprechende Steuerung vor Ort durch die unmittelbaren Führungskräfte erfolgt. Junge Mitarbeiter, die in Workshops mit „nach Jahren“ alten, offenen Führungskräften in kleinen Projekten arbeiten, fühlen sich ernst- und angenommen.

Werden sie dabei vom Vorstand auf diesen Prozess vorbereitet, erleben sie eine Wertschätzung vom Unternehmen, die die Loyalität exponentiell ansteigen lässt. Sie erhalten und erleben ein sicheres Umfeld, in einer für sie höchst unsicheren Situation. Ausgelernte Azubis, die einen befristeten Vertrag als Springer angeboten bekommen, erleben dieses ganz anders – und oft im wahrsten Sinne ihrer Position.

… sind ein entscheidender Kostenfaktor.

Der entscheidende Faktor in diesem Szenario ist die unmittelbare Führungskraft, sie ist schlicht Vorbild. Wird die Führungskraft wertschätzend, kompetent und fair erlebt, steigt die Bindung zum Unternehmen deutlich an. Mitarbeiter, die dies erleben, sind gegenüber Abwerbungsversuchen geimpft. Ihre Loyalität lässt sich nicht durch Geld und ähnliche Anreize abkaufen, denn der Schritt in die Unsicherheit beinhaltet für sie enorme, gefühlte Risiken.

Einzige Bedingung für dieses Erfolgsrezept ist eine stringente und konsistente Kommunikation zu den Kollegen. Divergenzen zwischen der geäußerten und gelebten Kommunikation werden dabei besonders sensibel erlebt. Chefs die verbal Offenheit und Freundlichkeit aussenden, deren nonverbale Kommunikation aber das Gegenteil fühlen lassen, sind dabei das größte Risiko. Botschaften auf dieser Ebene werden gefühlt, d.h. unterschwellig, entscheidend wahrgenommen. Worte werden dann zu Schall und Rauch.

Ehrlichkeit ist der entscheidende Loyalitätshebel.

Die nahe, erfolgreiche Zukunft der Unternehmen hängt an den unmittelbaren Führungskräften. Ist ihre Kommunikation wertschätzend, ehrlich und vom Zuhören geprägt, ist die Mitarbeitergewinnung und – bindung kein relevantes Problem für die beschäftigenden Unternehmen. Wird fair, ehrlich und konsequent, insbesondere mit den jungen Kollegen, kommuniziert, wird die einzige i m m e r funktionierende Kommunikationsebene, die Buschtrommel, für eine solide Mitarbeiterbasis sorgen, ohne zusätzliche Kosten!